Was ist Zeit?

 

Für die Beschreibung von Zeit und Bewusstsein eignen sich komplexe Systeme. Denn das Phänomen des Zeitbewusstseins hängt eng mit der Dynamik von Bewusstseinszuständen des Gehirns zusammen. Basierend auf der Komplexitätstheorie wird das Bewusstsein charakterisiert, die Gehirnenergetik sowie die synaptische Plastizität erklärt, welche das tragende Element für die Selbstorganisation des Menschen ist. Mainzer (2005) weißt daraufhin, dass dieses Zeitbewusstsein nicht im Gegensatz zur Physik stehe, und als Ergebnis der komplexen neuronalen Wechselwirkungsprozesses erklärbar sei. Dadurch werden Konfrontationen wie die zwischen Bergson und Einstein überflüssig, da jene Ebenen nicht vergleichbar sind. Im Gegensatz zur traditionellen Physik ist die Zeit für die Intelligenz unterschiedlich erfahrbar. Einstein zerstörte die alte Idee der absoluten Zeit. Mit der Relativitätstheorie stieß er das Fundament der klassischen Physik um. Seitdem sind Raum und Zeit miteinander verwandt. Das Konzept der Zeitdehnung oder die Idee von Wurmlöchern wurden für die Wissenschaftler existent (Coveney und Highfield, 1994), allerdings ist die Theorie komplexer Systeme fern des thermischen Gleichgewichts als Erklärungsversuch zu verstehen und das Bewusstsein wird demzufolge als ein globaler makroskopischer Ordnungszustand von neuronalen Verschaltungsmuster verstanden, die durch lokale mikroskopische Wechselwirkungen in komplexen neuronalen Netzen entstünden (Mainzer, 2005).

Grundlagen der Neurophysiologie aus der Perspektive der Komplexitätstheorie

Unter komplexen Systemen versteht man Systeme, welche sich der Vereinfachung verwehren und vielschichtig bleiben. Insbesondere gehören hierzu die komplexen adaptiven Systeme, die im Stande seien, sich an ihre Umgebung anzupassen (wikipedia.org). Die Analyse erfolgt auf dem Fundament der Komplexitäts- beziehungsweise der Systemtheorie. Jene beschäftigt sich mit der Komplexität von Algorithmen und Funktionen (Mainzer, 2005).

Das Gehirn verfügt über eine Population mehrerer Milliarden wechselwirkenden Neuronen und organisiert sich nach der Theorie komplexer Systeme in Clustern. Der evolutionäre Vorteil des Gehirns gegenüber Computern besteht in der Organisation und der Kreativität. Die Speicherkapazität, Rechenleistung, Präzision sowie die Verarbeitungsschnelligkeit eines Computer erreicht das menschliche Gehirn nicht. Diese relative Ungenauigkeit ist ein evolutionärer Vorteil des Gehirns gegenüber den Maschinen. Die Intelligenz erlaubt Flexibilität und Anpassung. Genau das was die Natur erfordert. In der Natur gilt das Prinzip der Asymmetrie, während bei Computern eher lineare Prozesse ablaufen.

Dennoch kann das Gehirn außergewöhnliche Rechenleistungen vollbringen wie es Autisten eindrucksvoll bestätigen. In der dreiteiligen Fernsehreportage „Expedition ins Gehirn der Superbegabten“ wurden Wissenschaftler bei der Erkundung des Gehirns von Autisten von einem Kamerateam begleitet. Die gewonnenen Erkenntnisse konnten dadurch allgemeinverständlich erklärt werden.

Der netzartige Aufbau erklärt den Vorteil des Gehirns gegenüber dem Von-Neumann- Computer. Ein großer Teil der Neuronenpopulation ist hier aktiv und kommuniziert miteinander. Dies sei die Voraussetzung für die Koordination von ganzheitlichen Bewegungsvorgängen. Fängt man, darüber nachzudenken und die Bewegung in einzelne Teile zu zerlegen, wird man häufig verunsichert und die Bewegung funktioniert nicht mehr (Mainzer, 2008). Das Nervensystem kommuniziert via Spikes direkt mit den Muskelzellen. Bewegungen werden zur sichtbaren Clusteraktivität des motorischen Kortex und seinen Verknüpfungen mit der Großhirnrinde.

Nach Singer (2006) werden in den präfrontalen Arealen die Handlungsplanung unter Einbindung der sozialen Gefüge vermutet. Hier findet sich der Kurzzeitspeicher, der es dem Menschen ermöglicht, Reaktionen und Reize aufzuschieben sowie Handlungsentwürfe gegeneinander abzuwägen. Diese Beispiele zeigen, dass die komplexe Struktur es dem Menschen erst ermöglicht Menschen wiederzuerkennen, sich zu unterhalten und Bewegungsabläufe zu koordinieren – und das in Sekundenbruchteilen.

Das Gehirn ist komplexer als das Universum:

„… daher kann es nicht um eine numerische Beherrschung und Simulation des Gehirns gehen, sondern vielmehr sollen die Strukturprinzipien des Gehirns erkannt und mathematisch beschrieben werden, um auf dieser Grundlage die Emergenz von Denken, Fühlen, Sprechen etc. verstehen zu können. “ (Mainzer 2005, S. 100)

Der evolutionäre Vorteil des Gehirns besteht in der Fähigkeit sich selbst zu organisieren indem es Netzwerke in Form von neuronalen Verbindungen bildet. Diese selbstständigen Modifikationen ermöglichen dem Gehirn das Lernen. Im Modell wird dies durch variable Synapsengewichte zum Ausdruck gebracht. Die Stärke der Verbindungen beziehungsweise der Assoziationen hängt laut Mainzer (2005) von den jeweiligen Synapsen ab. Aus der physiologischen Perspektive stellt sich Lernen daher als lokaler zeitlicher Vorgang dar. Veränderungen der Synapsen erfolgen nicht von außen, sondern durch eine lokale Veränderung der Synapsen.

Die zeitliche Veränderungen der Synapsengewichte wurde nach den Lernregeln von D.O. Hebb vorgenommen, berichtet Mainzer (2005). Hier könnte eine Lernregel darin bestehen, dass häufig gemeinsam aktivierte Neuronen ihre Verbindung untereinander verstärken, welche zu Assemblies führen würden. Diese Aktivitätsmuster kann man als neuronale Korrelationen im Gehirn verstehen. Sie stehen wiederum für Korrelationen mit Außenweltsignalen. Der Komplexitätsforscher Mainzer meint, dass es sich bei solchen Mustern um Worte, Klänge, Bilder von Gegenständen oder ganzer Situationen handelt. Für die Hirnforscher sind die Assemblies von großer Bedeutung, denn sie ermöglichen es ihnen Bewusstseinszustände zu beschreiben.

Mit diesen Verfahren können einige Leistungen des Gehirns charakterisiert werden. Beim merken und einprägen lernt das Gehirn einen Weg zu gehen. Durch die längere Beschäftigung mit dem Sachverhalt wird er wiederholt und im Gehirn wiederholt sich das entsprechende Aktivitätsmuster und trainiert die neuronalen Verbindungen. Aus der Perspektive der Hebbschen Regel verstärken sich die synaptischen Verbindungen zwischen den aktivierten Neuronen. Möchte man sich an etwas erinnern, so wird aus Teilen der vollständige Sachverhalt konstruiert. Im Idealfall funktioniert dies, allerdings geschieht jene Form der Mustervervollständigung spontan. Ferner schreibt Mainzer (2005), dass Aktivitätsmuster auch abstrakte Konzepte wie geometrische Formen repräsentieren. Beim Lernen werden Verbindungen zwischen Neuronen und vernetzten Neuronengruppen hergestellt. Diesen Vorgang beschreibt man als synaptische Plastizität. Für Mainzer stellt eine gelernte Gedankenassoziation ein zeitlich geronnenes Korrelationsmuster dar. Aus diesen Ideen konnten sich Lernstrategien entwickeln. Das Lernen mit Mindmaps nach Buzan und Clustern basiert auf diesem Prinzip. Hier wird um ein Bild oder einen Begriff eine netzartige Struktur entworfen um Informationen zu sammeln mit dem Ziel durch Verknüpfungen sie in einen möglichen Zusammenhang zu bringen. Jedoch bekommt die kreative Gestaltung bei den Mindmaps mehr Gewichtung geschenkt als bei der Clustermethode.

Die zwei Millimeter dicke gefaltete Gehirnrinde scheint für den Neurophysiker Wolf Singer vom Max-Planck-Institut für Biophysik den Unterschied zwischen Mensch und den niederen Lebewesen auszumachen.

„Die hochentwickelten Gehirne von Primaten unterscheiden sich von den Gehirnen anderer Säugetiere vornehmlich durch die enorme Volumenzunahme der Großhirnrinde. Größe ist notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung für Komplexität und Leistung; es kommt auch und vor allem auf die Verschaltung der Nervenzellen an.“ (Singer 2006 , S. 15)

Der Komplexitätsforscher Mainzer (2008) veranschaulicht die menschliche Kreativität auf einer Skala. Er behauptet, dass die Tiefe und Komplexität eines kreativen Einfalls sich auf einer Skala zwischen zusammenhangslosen Zufällen und starrer Regularität befindet. Zu dieser Aussage muss man wissen, dass Nebenbedingungen wie die Umgebung oder das Bewusstsein Einfluss auf diesen Prozess nehmen können.

Synaptische Plastizität und der Weg als Ziel

„Intelligenz steckt in der Hardware selbst. Die Synapsen im Gehirn sind diese Art von Hardware.“ Leon O. Chua (Mathematiker und Philosoph) Wer lernt, verfolgt eine Spur. Dennoch verfolgt das Gehirn nicht immer den gleichen Weg, sondern es organisiert sich in Clustern. Erst unter geeigneten Nebenbedingungen verbinden sich die Neuronen von selbst zu Ordnungsmustern – cell assemblies (Mainzer, 2008).

Das Gehirn funktioniert nicht linear wie ein Computer, die Neuronen hingegen arbeiten genau wie der Computer mit dem 0 oder 1 Prinzip beziehungsweise dem Feuern oder nicht Feuern (Mainzer, 2008). Es ist ein gigantisches Netzwerk und hier arbeiten geschätzt 100 Milliarden bis eine Billion Neurone in unserem Gehirn. Die Gliazellen sollen diese Zahl um das zehnfache übersteigen (Bartonietz, 2008b).[1] Somit stellen jene 90 Prozent der gesamte Hirnzellen und nehmen etwa die Hälfte des Hirnvolumens ein. Laut Neuroanatom Trepel (2008) übernehmen sie Stütz-, Versorgungs und Isolationsfunktionen. Dementsprechend unterscheiden sie sich in ihrer Form: Neuroglia (Astrozyten, Oligodendrozyten, Ependymozyten, Plexuszellen), Radialglia, Mesoglia sowie sechs weitere Glia-Arten. Astrozyten sind der mit Abstand häufigste Zelltyp im Gehirn. Sie scheinen ein eigenes Netzwerk von Erregung auszubilden. Sie lernen, bilden Erinnerungen und können mit Neuronen in Kontakt treten. Ebenso sind Gliazellen bei der Bildung von Synapsen von entscheidender Bedeutung (Christoperson, Ullian, Stokes, Mullowney, Hell, Agah, Lawler, Mosher, Bornstein und Barres, 2005; zitiert nach Bartonietz, 2008b). Außerdem sind sie an der Neurogenese beteiligt.

Es wird davon ausgegangen, dass die „synaptische Plastizität“ die neurophysiologische Grundlage von Lernen und Gedächtnis bildet. Synapsen können innerhalb von Minuten entstehen und verschwinden (Yuste und Cailliau, 2005). Um die synaptische Plastizität für das motorische Lernen zu ermöglichen, müssen Gene in den Zellkernen der Nervenzelle an- und ausgeschaltet werden. Proteine und Gene modifizieren die Synapsen derart, dass Gedächtnisinhalte dauerhaft gespeichert werden können.

Für diese Aufgaben braucht das System Gehirn ein Kommunikationsmittel. Hirnforscher vom Nationalen Bernstein Netzwerk sprechen von „Spikes“. Jede Information ist in dem räumlichen und zeitlichen Muster dieser Spikes codiert (Weigmann, 2011). Wie sieht nun dieser „Morsecode“ aus?

„In manchen Neuronen, so hat sich herausgestellt, kommt es auf die Zahl der Spikes an, die sie in einem bestimmten Zeitraum übertragen. Einige Sinneszellen funktionieren nach diesem Prinzip – je lauter ein Ton oder je heiter das Licht, desto schneller „feuern“ sie ihre Spikes. Auch die Motorneurone basieren auf einem solchen „Raten-Code“. Je schneller die Spike-Folge, desto stärker die muskuläre Kontraktion. Der Raten-Code ist aber nur eine von vielen Möglichkeiten, Informationen zu übermitteln. Oft kommt es nicht so sehr drauf an, wie viele Spikes ein Neuron sendet, sondern auf den exakten Zeitpunkt der Impulse…“

(Weigmann 2011, S. 18)

Somit denkt und fühlt ein einzelnes Neuron nicht, sondern erst durch die Leistung des neuronalen Clusters (Mainzer, 2008) und auch die motorische Aktion ist die gelernte Interaktion von neuronalen Karten. Somit kann man die synaptische Plastizität als Voraussetzung für Lernen und das Abrufen von Bewegungsmustern verstehen.

 

Theorie der Zeit

Zusammenfassung:
Die Zeit ist kein physikalisches Ding und keine Eigenschaft von Dingen, sondern ein abstraktes Ordnungs- und Maßsystem. Der gleichmäßige Wechsel von Tag und Nacht ist der Ursprung der Zeit. Durch die evolutionäre Entwicklung des menschlichen Verstandes entsteht die Zeit als angeborene Vorstellung. Nicht die Zeit verläuft, sondern die realen Vorgänge und Zustände der Welt fließen dahin. Mit dem auf der Zeitskala gleichmäßig voranschreitenden Uhrzeiger messen wir die Dauer von Geschehnissen und Veränderungen. Daraus entsteht das Streben nach gleichmäßig gehenden Uhren. Es gibt nur eine Zeit, weil sich die Welt als Ganzes  in jedem Augenblick in einem bestimmten Zustand befindet.

Gegenstand dieser Theorie ist die Zeit, die als Maßeinheit definiert wird oder als messbar verstanden wird und oft als physikalische oder objektive Zeit bezeichnet wird. Sie ist zu unterscheiden von gefühlter Zeit, die Gegenstand der Psychologie ist. Sie ist auch zu unterscheiden von soziologischen und ähnlichen Zeitkonzepten. Die Frage, was die Zeit eigentlich ist – ein real existierendes Ding, eine Eigenschaft der Dinge, eine Kategorie des Denkens und Erkennens – ist eine naturphilosophische Frage.

Die Bezeichnung “physikalische Zeit” trifft nicht die Sache, weil die Physik seit 1905 eigenwillige Vorstellungen von Zeit entwickelt hat.

Aristoteles (384 – 322) definierte die Zeit als Zahl – auch als Maß – der Bewegung (oder das Gezählte an der Bewegung) nach dem Früher oder Später. Der Gedanke wurde nicht weiterentwickelt, sondern ist mit der antiken Zivilisation untergegangen. Erst 2000 Jahre später erreichte die Philosophie durch Immanuel Kant wieder die Erkenntnis, dass die Zeit eine abstrakte Ordnungsstruktur des Verstandes ist. Allerdings fehlte der idealistischen Philosophie Kants der Bezug zur realen Außenwelt. Diesen Bezug versucht die in der Mitte des 20. Jahrhunderts entstandene evolutionäre Erkenntnistheorie zu erklären.

Die Zeit ist ein abstraktes Ordnungssystem, das uns infolge der evolutionären Entwicklung des Verstandes angeboren ist. Am Maßstab der Zeit messen wir den Fortgang der realen Geschehnisse. Außerhalb des Verstandes gibt es nichts, was man als Zeit bezeichnen kann. Dies darzulegen ist das Ziel meiner Zeittheorie.

Schon vor mir hat Helmut Hille die Zeit als das Maß der Dauer bezeichnet. Von ihm stammt auch der Satz, dass es außerhalb des Verstandes nichts gibt, was man als Zeit bezeichnen kann.

Substantialimus, Relationismus, Idealismus

Die meisten späteren Auffassungen von Zeit stimmen – trotz aller Unterschiede – im Prinzip mit der allgemeinen Beschreibung von Aristoteles überein. Die Zeit wird als ein Nacheinander verstanden, als Fluss der Zeit, als eine gleichmäßige, rein formale Abfolge von Zeitpunkten.

Die maßgeblichen Zeittheorien seit dem 17. Jahrhundert sind mit den Namen Newton, Leibniz und Kant verbunden. Newtons  Substantialismus scheitert an der Frage, was die Zeit ist, die es als ein Ding neben dem Materiellen gibt. Newton hat die uns angeborene Vorstellung der absoluten, das heißt der universellen und gleichmäßig verlaufenden Zeit, in die Außenwelt verlegt – ein psychologischer Mechanismus, der seit Sigmund Freud als Projektion bezeichnet wird.

Der Relationismus von Leibniz führt zwar zu der plausiblen Konsequenz, dass es ohne Veränderung keine Zeit gibt. Aber Veränderung allein ist keine Zeit. Leibniz bezeichnet die Zeitrelationen als die Ordnung des Nacheinander. Doch das Neben- und Nacheinander der Veränderungen in der Welt ist keine Ordnung, sondern Chaos. Erst der Verstand bringt Ordnung in das Chaos. Außerdem ist der Einwand bekannt, dass der Relationismus Raum und Zeit bereits voraussetzt, wenn er sagt, dass Raum und Zeit in den räumlichen und zeitlichen Beziehungen zwischen den Dingen bestehen. Leibniz macht einen ähnlichen Fehler wie Newton, indem der die Welt durch die Brille der uns angeborenen Ordnungsstruktur Zeit betrachtet  – was wir unbewusst alle tun – und dadurch die im Verstand gegebene  Ordnung nicht im Verstand, sondern in der Außenwelt sieht.  Die Theorie von Leibniz, wonach Zeit eine Relation zwischen den Dingen ist, erscheint bestechend einfach und dadurch überzeugend. Doch als Leibniz lebte, war noch nicht bekannt, dass Raum und Zeit angeborene Kategorien unseres Denkens und Erkennens sind. Der Relationismus versteht die Zeit als eine Eigenschaft der Welt. Doch Veränderung ist keine Zeit, sondern die materielle Grundlage für die Entstehung der Zeit im Verstand.

Kant lehnte die Auffassungen von  Newton und Leibniz ab. Die Zeit ist weder ein Ding, das in der Realität existiert, noch ist sie eine Eigenschaft von Dingen. Sondern die Zeit ist eine angeborene Denk- und Erkenntniskategorie. Allerdings konnte Kants idealistische Philosophie nicht erklären, warum wir uns mit den angeborenen Vorstellungen von Raum und Zeit in der Wirklichkeit zurechtfinden. Seine Philosophie, wonach wir nicht die Dinge an sich, sondern nur ihre Erscheinungen erkennen, hatte keinen erkennbaren Bezug zur realen Außenwelt. Dies mag mit ein Grund dafür gewesen sein, dass die Philosophie der Physik um 1900 Ernst Mach folgte und sich die relationistische Auffassung von Raum und Zeit zu eigen machte. Mach, einer der Begründer der theoretischen Physik, ging sogar noch einen Schritt weiter als Kant, indem er die die Existenz einer objektiven Wirklichkeit überhaupt in Frage stellte. Damit war ein Grundstein für den Relativismus in der Physik gelegt.

Zeit ist eine Ordnungsstruktur im Verstand

Offenkundig gibt es bis heute keine einheitliche und allgemein akzeptierte Auffassung darüber, was Zeit ist. Die Physik glaubt die Zeit auf ihre Weise definieren zu können und verkennt dabei, dass die Zeit als eine Denkkategorie nicht Gegenstand, sondern eine Voraussetzung der Naturwissenschaft ist.

Gehen wir davon aus, was offenkundig und allgemein akzeptiert ist. Demnach beschreibt die Zeit die Abfolge von Ereignissen. Die Einteilung der Geschehnisse erfolgt

– nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft (die Philosophie spricht von Zeitmodus)

– nach früher, später und gleichzeitig (die Philosophie spricht von Zeitordnung)

– nach unterschiedlicher Dauer, also den Abständen in der Aufeinanderfolge.

Daraus folgt, dass Zeit ein Ordnungsprinzip ist. Der Gedanke drängt sich geradezu auf, dass dieses Ordnungsprinzip eine Sache des Verstandes ist. Nur der Verstand befähigt uns, im jeweiligen Jetzt das Vergangene im Gedächtnis und das Zukünftige in der Erwartung zu unterscheiden. Nur der Verstand befähigt uns, in einer Reihe von Ereignissen zu unterscheiden, was früher, später und gleichzeitig geschieht. Nur der Verstand befähigt uns, die Dauer zwischen Ereignissen zu schätzen und mit Uhren zu messen.

Die Rolle der evolutionären Erkenntnistheorie

Von Natur aus ist uns die Vorstellung von absoluter Zeit angeboren, das heißt es gibt nur eine Zeit, und sie verläuft gleichmäßig. Stimmt diese Vorstellung mit der Wirklichkeit überein?

Ausgangspunkt der evolutionären Erkenntnistheorie ist die Überlegung, dass auch die Entwicklung des Verstandes durch die Umwelt beeinflusst wird. Dadurch kommt es zu bestimmten Denk- und Erkenntnisformen, die uns angeboren sind. Auf diese Weise entsteht ein ursächlicher Bezug zwischen der realen Außenwelt und  Kants a priori gegebenen Verstandeskategorien. Aus genau den selben Gründen, aus denen der Huf des Pferdes zum Steppenboden und die Flosse des Fisches ins Wasser passt, passen die a priori gegebenen Denkkategorien zur Außenwelt (Konrad Lorenz: Kants Lehre vom Apriorischen im Lichte gegenwärtiger Biologie, 1941).

Doch mit der Überlegung, dass unsere angeborenen Denkformen genau so auf die Umwelt passen wie die Flosse des Fisches zum Wasser, ist nicht bewiesen, dass die Vorstellung der absoluten Zeit ein Abbild der Wirklichkeit ist. Denn die Flosse des Fisches ist zwar optimal an das Wasser angepasst, aber sie ist kein direktes Abbild des Wassers. Mit diesem Argument wurden evolutionstheoretische Überlegungen zu Raum und Zeit schon vor Jahrzehnten durch die theoretische Physik zurückgewiesen. Unsere angeborenen Vorstellungen von Raum und Zeit dienten dem Überleben, aber nicht der Wahrheit, was durch die Relativitätstheorie bewiesen sei. Damit erhebt die Physik den unberechtigten Anspruch, ihre Auffassung von Zeit sei allgemein gültig.

Doch wer aus guten Gründen nicht an die Relativität der Zeit glaubt, kann sich mit dieser Auskunft nicht abfinden, sondern wird weiter fragen. Auch wenn die Grundüberlegung der evolutionären Erkenntnistheorie nicht beweisen kann, dass die absolute Zeit ein direktes Abbild der Wirklichkeit ist, so führt sie uns doch zwangsläufig zu der Frage, wie die Vorstellung von absoluter Zeit in den Verstand kommt.

Wie kommt die absolute Zeit in den Verstand?

Manche Sachverhalte versteht man erst, wenn man ihre Entstehungsgeschichte kennt. Zwar ist die Entstehung der Zeit nicht historisch überliefert, aber sie lässt sich glaubwürdig rekonstruieren.

In einem sehr frühen Entwicklungsstadium macht der Verstand bzw. das Individuum die Erfahrung des regelmäßigen Wechsels von Tag und Nacht. Dieser gleichmäßige Rhythmus führt dazu, die realen Geschehnisse in eine gleichmäßige Skala von Tagen und damit in einen Kalender einzuordnen. Bestimmte Ereignisse werden einem bestimmten Tag zugeordnet, und der Abstand (die Dauer) zwischen zwei Ereignissen kann in Tagen angegeben werden. Auf diese Weise entsteht im Lauf eines Entwicklungsprozesses die Vorstellung von gleichmäßig verlaufender Zeit im Verstand. Die Zeitskala ist am Beginn dieser Entwicklung in Tage eingeteilt, die Zeitskala ist also zunächst ein Kalender. Der Kalender ist ein feststehender Maßstab für den Abstand zwischen einzelnen Ereignissen. Die Ereignisse werden in den Kalender eingeordnet, und niemand käme auf die Idee, von einem Dahinfließen oder Vergehen des Kalenders zu sprechen.

Auch Martin Heidegger (1889 – 1976) führt die Zeitlichkeit auf den Lauf der Sonne zurück, woraus als natürliches Zeitmaß der Tag folgt (“Sein und Zeit”, § 80).

Hinzu kommt eine zweite elementare Erfahrung. Es gibt nur eine Außenwelt, in der das Individuum lebt. Überdies machen alle Individuen die Erfahrung, dass sie in der selben Welt leben. Es gibt nur einen Kalender in dieser Welt, in der die Sonne überall im gleichen Rhythmus von 24 Stunden im Zenit steht. Dadurch entsteht die Vorstellung im Verstand, dass es nur eine Zeit gibt, die überall die selbe ist.

Zu der Vorstellung, dass es nur eine Zeit gibt, mag auch die Beobachtung sowie die untrügliche Erfahrung des Urmenschen beitragen, dass die Gleichzeitigkeit von Ereignissen eine reale Tatsache ist.  Daraus folgt, dass der Augenblick, den ich mit Jetzt bezeichne, überall der selbe ist. Die selbstverständliche Erfahrung, dass die Gleichzeitigkeit von Ereignissen eine reale Tatsache ist, machen wir auch heute noch innerhalb unseres Gesichtskreises. Doch warum sollte die reale Gleichzeitigkeit nicht auch über den Bereich hinaus gegeben sein, den wir unmittelbar beobachten können?

Die Relativitätstheorie behauptet, dass die Gleichzeitigkeit von Ereignissen keine reale Tatsache sei, sondern sie setzt per Definition voraus, dass die Gleichzeitigkeit vom Bewegungszustand der Beobachter bzw. Koordinatensysteme abhängt.

Mit zunehmender Entwicklung des Verstandes entsteht die Fähigkeit und das Bedürfnis, in kleineren Zeiteinheiten zu denken. Aus dem zunächst in Tage eingeteilte Kalender wird eine kleinteiligere Zeitskala durch die Unterscheidung des Sonnenstandes nach Morgen, Mittag und Abend. Viel später kommen Uhren hinzu, und man ist dadurch in der Lage, den Tag in Stunden einzuteilen.

Am Beginn der beschriebenen Entwicklung ordnet der Verstand jedes Ereignis einem bestimmten Tag zu. Der Zeitpunkt und damit die kleinste Einheit auf der Zeitskala ist ursprünglich ein Tag. Mit der in der weiteren Entwicklung folgenden Einteilung des Tages in Stunden, Minuten und Sekunden kann jedes Ereignis mit einem viel kleineren Zeitpunkt verbunden werden. Am Ende, in dem nach Jahrzehntausenden folgenden wissenschaftlichen Zeitalter, steht die Erkenntnis, dass der Zeitpunkt beliebig klein gedacht werden kann. Daraus folgt als Konsequenz, die Konstruktion von immer noch genaueren Uhren anzustreben. Wobei die Genauigkeit der Uhr zwei Eigenschaften impliziert, nämlich den gleichmäßigen Gang und eine möglichst kleinteilige Zeitskala. Heute kann man mit Atomuhren Milliardstel Sekunden messen.

Zur Illustration:
Die Zeitskala ist am Beginn der Entwicklung ein Kalender, der in Tage eingeteilt ist. Reale Ereignisse werden einem bestimmten Tag zugeordnet. Der Abstand zwischen Ereignissen wird in Tagen benannt und gemessen. Die natürliche Zeiteinheit ist ein Tag.

|          |          |          |          |          |          |          |          |        Tage

Mit fortschreitender Entwicklung des Verstandes wird die Zeitskala kleinteiliger. Der Verstand denkt in Stunden, dann in Sekunden. Am Ende der Entwicklung erkennen wir, dass ein Zeitpunkt beliebig klein gedacht werden kann. Jedes beliebige Ereignis und jeden der ständig wechselnden Zustände der Welt verbinden wir – bewusst oder unbewusst – gedanklich mit einem Zeitpunkt.

……………………………………………………………………………         Milliardstel Sekunden

Die Zeitskala im Verstand des modernen Menschen ist unendlich kleinteilig. Dies zeigt sich darin, dass man Atomuhren baut, die Milliardstel Sekunden anzeigen. Wäre es technisch möglich, so würde man noch genauere Uhren bauen.

Der Lauf der Sonne führt nicht nur zum Wechsel von Tag und Nacht und auf diesem Weg zu einer endlosen Zeitskala, auf der die Zeiteinheiten abgezählt werden. Sondern der Stand der Sonne zeigt Morgen, Mittag und Abend an. Dies ist der Ursprung der Uhrzeit, die zunächst nur ungenau von der Sonnenuhr abgelesen wurde. Die aktuelle Uhrzeit bezeichnet einen bestimmten Punkt auf der Zeitskala, nämlich das jeweilige Jetzt.

Stimmt die absolute Zeit mit der Wirklichkeit überein?

Die uns angeborene Vorstellung von absoluter Zeit besteht darin, dass die Zeit gleichmäßig verläuft und dass es nur eine Zeit gibt. Stimmt diese Vorstellung mit der Wirklichkeit überein? Darin sind zwei Fragen enthalten, nämlich zur Gleichmäßigkeit und zur Universalität der Zeit.

Dass die Zeit gleichmäßig verläuft, stellt kaum jemand ernsthaft in Frage, ebenso wie die Tatsache, dass nur eine gleichmäßig gehende Uhr brauchbar ist.

A. Einstein hatte die unglückliche Idee, den Verlauf der Zeit mit dem Gang der Uhren gleichzusetzen – einer von mehreren grundlegenden Missgriffen in der speziellen Relativitätstheorie von 1905. Da Uhren aus unterschiedlichen Gründen niemals vollkommen gleichmäßig gehen, soll die Zeit ungleichmäßig verlaufen.. Die Relativität der Zeit begründet Einstein aber vor allem damit, dass sie von Beobachtern abhänge. 

Entspricht es der Wirklichkeit, dass es nur eine Zeit gibt?

a) Die Frage ist in dieser Form falsch gestellt. In welcher Hinsicht sollte ein abstraktes Ordnungs- und Maßsystem mit der Wirklichkeit übereinstimmen? Auf gleicher Ebene würde zum Beispiel die Frage liegen, ob der Meterstab als Messwerkzeug mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Wenn ein Meterstab unbrauchbar wäre, dann nur, wenn seine Skala nicht gleichmäßig eingeteilt wäre, oder wenn man unterschiedliche Meterstäbe  mit variablen (“relativen”) Zentimetern verwenden würde.

Das Grundprinzip meiner Theorie beruht auf der Unterscheidung von Innen- und Außenwelt.

Außenwelt:
In der Außenwelt gibt es die Abstände in der Aufeinanderfolge von Ereignissen (“Zeitrelationen”)
entweder als Dauer zwischen den Ereignissen,
oder als Gleichzeitigkeit von Ereignissen.

Die unterschiedlichen Relationen, nämlich Dauer und Gleichzeitigkeit, bezeichnen reale Tatsachen (keine realen Dinge, aber reale Sachverhalte) in der realen Welt.

Innenwelt:
Im Verstand gibt es die Zeit als Ordnungsstruktur und Maß für die Relationen der realen Außenwelt, wodurch wir entweder die Dauer zwischen zwei Ereignissen oder die Gleichzeitigkeit (als fehlende Dauer) erkennen.

b) Die Antwort auf die Frage, ob überhaupt eine Übereinstimmung unserer angeborenen Vorstellung von Zeit mit der Wirklichkeit besteht, ist folgende. Die Welt weist räumliche und zeitliche Strukturen auf. Die räumliche Struktur der Welt und der Dinge besteht in ihrer Ausgedehntheit, im Nebeneinander der Dinge. Die zeitliche Struktur der Welt besteht im Nacheinander der Veränderungen.
Die Entstehung unserer angeborenen Erkenntnisstruktur Zeit aus den in der Außenwelt gegebenen Relationen ist ein Grund dafür, dass wir dazu neigen, die Zeit als eine Eigenschaft der Welt aufzufassen, anstatt sie als Ordnungsstruktur des Verstandes zu erkennen.

c) Dass es nur eine Welt und folglich nur eine Zeit gibt, ist zunächst eine ursprüngliche Erfahrung in einem frühen Entwicklungsstadium des Verstandes (vgl. Nr. 4 – Wie kommt die absolute Zeit in den Verstand). Diese Erfahrung ist aber kein Beweis. Der Beweis liegt auf ontologischer Ebene.
Wer die Theorie ablehnt, dass es außerhalb des Verstandes keine Zeit gibt, der wird die Zeit in der Außenwelt suchen. Daher wird er die Frage, ob unsere angeborene Vorstellung von absoluter Zeit mit der Wirklichkeit übereinstimmt, keineswegs für sinnlos halten. Die Antwort auf diesen Einwand lautet:
Die Welt als Ganzes befindet sich in jedem Augenblick in einem bestimmten Zustand. Der Zustand der Welt ändert sich von Augenblick zu Augenblick durch unzählige Geschehnisse und Veränderungen von atomarer bis kosmischer Größenordnung. Wenn die Welt in jedem Augenblick in einem bestimmten Zustand ist, dann ist jeder Augenblick überall der selbe. Es gibt nur eine Welt, folglich nur eine reale Gleichzeitigkeit, die in der ganzen Welt die selbe ist.  Wäre dies nicht der Fall, so würde die Welt als Ganzes nicht gleichzeitig existieren.

Dieser Gedanke wird keineswegs dadurch widerlegt, dass wir als Menschen nicht in der Lage sind, die Welt als Ganzes zu beobachten und zu beschreiben. Der logische Verstand befähigt uns zu der Erkenntnis, dass die Welt ein Ganzes ist, dessen Zustand sich ständig ändert. Der abwegige Einwand, dass in der Wissenschaft nur zählt was wir beobachten und messen können, ist lediglich der Nachhall eines obsoleten Positivismus aus dem 19. Jahrhundert.  

Man könnte auf die Idee kommen, die auf dem einheitlichen Jetzt, auf der realen Gleichzeitigkeit beruhende universelle Zeit als eine zweite Art von Zeit (z.B. als “Weltzeit”)  neben der abgezählten Zeit zu betrachten. Doch wird der Zeitbegriff durch eine solche Aufgliederung nur unübersichtlicher. Ich ziehe es daher vor, in der  Ausdrucksweise Newtons die Gleichmäßigkeit und die Universalität als die beiden Merkmale der absoluten Zeit zu bezeichnen. Jeder Jetztpunkt auf der gleichmäßigen Zeitskala ist in der ganzen Welt der selbe.



Was ist die Zeit?

In der äußeren Wirklichkeit gibt es die realen Dinge, die sich verändern und bewegen. Alles ist in ständiger Veränderung, von den Schwingungen der Atome, über die Bewegungen in alltäglicher Größenordnung, bis zur Bewegung der Galaxien. Alles fließt, weshalb man nicht zweimal in den selben Fluss steigen kann, wie Heraklit gesagt hat. Als biologisches Individuum und als Person bleibt der Mensch identisch für die Dauer seines Lebens. Doch materiell ist er ein Teil der sich ständig verändernden Welt. Heute bin ich ein Anderer als gestern, weil sich meine Körperzellen ständig erneuern. Die Frage, ob hinter den Veränderungen ein zeitloses Sein steht, ist nicht Gegenstand der Zeitphilosophie (und schon gar nicht die Sache von Phyikern, wenn sie naiv die Zeit zur Illusion erklären).

Die Zeit ist der uns angeborene Maßstab, an dem wir die Geschehnisse ordnen und messen
– nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
– nach früher, später und gleichzeitig
– nach unterschiedlicher Dauer.

Die einfachen Unterscheidungen nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sowie nach früher, später und gleichzeitig erfolgen durch die Verstandeslogik bzw. aufgrund der Erinnerung (des Gedächtnisses) und der Erwartung (im Sinne von geplanter Vorausschau). Die exakte Unterscheidung nach kurzer oder langer Dauer bedarf eines Maßstabs. Als Zeit im engeren Sinne kann man daher die Zeit als das Maß der Dauer bezeichnen.

An der Dauer eines bestimmten Vorgangs messen wir auch die Geschwindigkeit des Vorgangs. Daher ist die Zeit nicht nur das Maß der Dauer, sondern auch der Geschwindigkeit. Ein Beispiel dafür ist die Geschwindigkeit, mit der eine bestimmte Strecke zurückgelegt wird. Nehmen wir einen 100-Meter-Läufer. Zwischen dem Start (Ereignis 1) und der Ankunft auf der Ziellinie (Ereignis 2) liegt  eine Dauer, die mit 10 Sekunden gemessen wird.  Aus der Zahl der Sekunden können wir die Geschwindigkeit des Läufers berechnen nach der Formel v = s/t.  Aber auch die Geschwindigkeit physikalischer Vorgänge, chemischer Reaktionen und biologischer Prozesse wird an der Zeit gemessen.

Weil wir gedanklich jedes der unzähligen aufeinander folgenden Ereignisse in der Welt mit einem Zeitpunkt auf der Zeitskala verbinden, sprechen wir irrtümlich davon, dass die Zeit fließt. Doch wir täuschen uns. Nicht die Zeit verläuft, denn sie ist ein abstrakter Maßstab im Verstand, vergleichbar einem Meterstab. Sondern die Geschehnisse bilden einen Verlauf. Was wir als dahinfließend beobachten, sind die realen Geschehnisse und Veränderungen der Außenwelt. In Unkenntnis dessen, was genau Zeit ist – die angeborene Denkkategorie Zeit ist uns unbewusst –  bezeichnen wir seit jeher den Fluss der Geschehnisse unzutreffend als Fluss der Zeit.

Der britisch-australische Philosoph John J. C. Smart schreibt in “The River of Time” (1949): “Selbst die unkritischste Person wird vermuten, dass wir, wenn wir von der Zeit als einem fließenden Fluss reden, in einer irgendwie illegitimen Weise reden. Die Zeit ein Fluss, sagen wir zu uns selbst, ein komischer Fluss ist das. Aus was für einer Flüssigkeit besteht er? … Wir sind sogar noch stärker beunruhigt, wenn wir uns fragen, wie schnell dieser Fluss fließt.”

Die Frage, mit welcher Geschwindigkeit die Zeit fließt, geht ins Leere. Denn zum einen ist Geschwindigkeit das mathematische Ergebnis aus Veränderung und Zeit, zum Beispiel aus zurückgelegter Strecke je Stunde. Die Berechnung einer Geschwindigkeit setzt also die Zeit bereits voraus, weshalb die Zeit selbst keine Geschwindigkeit haben kann. Zum anderen hängt die Größe jeder Geschwindigkeit vom gewählten Bezugssystem ab. Es gibt aber kein Bezugssystem, an dem die Geschwindigkeit der Zeit gemessen werden könnte. – Die selben Argumente gelten, wenn wir den Fluss der Zeit durch den Fluss der Geschehnisse ersetzen, oder wenn wir die Frage in andere Worte fassen: Mit welcher Geschwindigkeit schreitet das Jetzt auf der Zeitskala voran? Welche Geschwindigkeit hat der Zeiger der Uhr, wenn er das jeweilige Jetzt anzeigt?

Denken und Tun erfolgt real nur in der Gegenwart, nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Psychologen haben herausgefunden, dass unsere gefühlte Gegenwart etwa drei Sekunden beträgt. Nach Ablauf dieser drei Sekunden wird die Gegenwart zur Vergangenheit, und wir denken und handeln in einer neuen Gegenwart. Aus psychologischer Sicht schreitet also die Gegenwart im Drei-Sekunden-Takt voran.

Nicht die Zeit vergeht, sondern jeder gegenwärtige Zustand der Welt vergeht, weil der Zustand der Welt im nächsten Augenblick ein anderer ist. Aber weil unser Verstand selbständig und ohne dass uns dies bewusst ist, jeden Zustand der Welt mit einem Zeitpunkt auf der Zeitskala verbindet, glauben wir, dass die Zeit vergeht.

Das vermeintliche Vergehen der Zeit ist die Hauptursache dafür, dass die Zeit bis heute letztlich als ein ungelöstes Rätsel gilt, das zu Widersprüchen und Zirkelschlüssen führt. Die Zeit vergeht und ist doch irgendwie ständig vorhanden. Reale Existenz scheint nur in der Zeit möglich, ohne dass man sagen könnte, was die Zeit ist.

Weil uns die Zeit als angeborene Denk- und Erkenntnisstruktur unbewusst ist, haben die Menschen von Natur aus keine genaue Vorstellung davon, was Zeit ist. Dadurch kommt es zu Irrtümern und unzutreffenden Theorien über die Zeit:  Die Zeit als ein Ding wie andere reale Dinge (Newton). Die Zeit als Eigenschaft der Dinge und der Welt (Relationismus). Mit unterschiedlicher Geschwindigkeit verlaufende Zeiten in der Welt (Relativitätstheorie). Die Identität von Raum und Zeit (Raumzeit). Die Zeit als Illusion.

Wesentliche Merkmale und Konsequenzen der Theorie

Zeit ist ein abstraktes Ordnungssystem im Verstand. Am Maßstab der Zeit ordnen und messen wir den Verlauf der Veränderungen.

Nicht die Zeit verläuft, sondern die Geschehnisse bilden einen Verlauf

Dauer ist keine Zeit, sondern eine Relation zwischen Ereignissen.

Die Zeit ist das Maß der Relationen, d. h. die Größe oder “Länge” einer Dauer messen wir am Maßstab der Zeit.

Die Existenz von Dingen ist nicht mit Zeit, sondern mit Dauer verbunden. Weil wir aber eine Dauer in Zeiteinheiten (Sekunden) ausdrücken, machen wir begrifflich zwischen Dauer und Zeit keinen Unterschied.

Geht es also nur um einen geänderten Gebrauch von Begriffen? Keineswegs. Entscheidend ist der Inhalt der Theorie. Die Zeit ist kein selbständig existierendes Ding. Sie ist keine Eigenschaft der Welt und keine Relation zwischen den Dingen. Zeit ist ein abstraktes Ordnungssystem im Verstand. Außerhalb des Verstandes gibt es nichts, was man als Zeit bezeichnen kann.

Zeitmodus und Zeitordnung (Nr. 2) beruhen auf Leistungen des Gedächtnisses. Die Vorstellung von gleichmäßig verlaufender Zeit entsteht durch den Lauf der Sonne. Es gibt nur eine Zeit, weil es nur eine Welt gibt.

Die Zeit ist objektiv, auch wenn es sie nur im Verstand gibt

Nur am gleichen Ort beobachten die Menschen die gleichen Ereignisse. An anderen Orten haben die Menschen andere Ereignisse im Blickfeld. Die Sonne geht in unterschiedlichen Gegenden der Welt zu unterschiedlichen Zeiten auf und unter. Ist deshalb die Zeit subjektiv?

In jedem mit Jetzt bezeichneten Augenblick geschieht überall in der Welt etwas. Die Gleichzeitigkeit dieser Ereignisse ist eine unbestreitbare Tatsache. Wenn überall in der Welt jedes Jetzt der gleiche Zeitpunkt ist, dann gibt es nur eine Zeit. Wenn das Jetzt überall gleich ist, so ist die Zeit objektiv. Die reale Gleichzeitigkeit der Welt – oder das gleichzeitige Existieren der Welt als Ganzes –  ist die verbindende Klammer zwischen der im Verstand gegebenen Denkstruktur Zeit und der äußeren Wirklichkeit. Dadurch wird die Zeit objektiv. Das gemeinsame Jetzt, mit dem alle Individuen die selben realen Ereignisse bezeichnen, ist nicht nur eine logische oder philosophische Gewissheit. Die Überlegung wird auch bestätigt durch die Einrichtung einheitlicher Uhrzeiten mittels synchronisierter Uhren .

Jeder Jetztpunkt (Zeitpunkt) ist verbunden mit allen realen Ereignissen in diesem Augenblick. Jeder Jetztpunkt ist verbunden mit einem bestimmten Zustand der Welt. Darin besteht der Bezug zwischen Zeit und der realen Außenwelt. Mit Hilfe der Zeit datieren wir die Geschehnisse in der gesamten Welt, ordnen und zählen wir den Verlauf der Geschehnisse in Tagen, Stunden und Sekunden.

Das Einordnen historischer Ereignisse in den Kalender kann man als Erweiterung der Zeitskala in die Vergangenheit sehen. Ereignisse, die in der Erinnerung des Einzelnen längst verblasst sind oder sich vor unserer Geburt ereignet haben, werden durch die Geschichtswissenschaft in einem kollektiven Gedächtnis festgehalten. Die Zeit im Verstand ist der in Sekunden und kleinere Einheiten aufgeteilte Kalender.

Was ist eine Uhr?

Auch aus der theoretischen Physik wissen wir, dass ganz allgemein jeder gleichmäßig verlaufende oder sich in gleichmäßigen Perioden wiederholende physikalische Vorgang als Uhr geeignet ist. Genauer kann man die heute gebräuchlichen technischen Uhren als Messgeräte bezeichnen, die gleichmäßige Zeiteinheiten – zum Beispiel Sekunden – zählen. Die Anzahl der Sekunden zwischen zwei Ereignissen sagt uns, welche Dauer zwischen zwei Ereignissen (oder Zeitpunkten) liegt. Weil der Mensch kein Organ besitzt, an dem er gleichmäßige Sekunden ablesen kann, benötigt er Uhren zum Messen einer Dauer.

Ein Verwendungszweck von Uhren ist die Zeitmessung. Wobei das Wort “Zeitmessung” nicht wirklich zutrifft, denn wir messen die Dauer zwischen zwei Ereignissen, und zwar am Maßstab der Zeit. Doch die seit jeher übliche Verwendung des Wortes “Zeit” wird sich nicht leicht ändern und ist im Alltag ohne Belang.

Die Uhr besteht im Prinzip aus einer festen Skala, die unserem unbewussten Zeitmaßstab im Verstand entspricht, und aus einem gleichmäßig voranschreitenden Zeiger, der im jeweiligen Jetzt die von ihm abgezählten Sekunden auf der Skala anzeigt. Wenn die Skala nicht geradlinig ist, sondern die Form eines runden Zifferblatts hat, so hat das lediglich technische Gründe. Ein gleichmäßig rotierender Zeigerantrieb lässt sich einfacher realisieren als ein linear bewegter Zeiger. Da außerdem die Länge einer linearen Skala technisch begrenzt ist, müsste der am Ende der Skala angelangte Zeiger ohne Verzögerung auf den Anfang zurückspringen. Dagegen gelangt bei einem runden Zifferblatt der Zeiger nach jeder Umdrehung automatisch wieder zum Nullpunkt. – Mit der Einführung elektronischer Bauteile wird die Skala häufig durch eine digitale Anzeige der gezählten Sekunden ersetzt.

Während der Verstand im frühen Entwicklungsstadium die Tage auf einer Kalenderskala zählt, macht die Uhr das selbe auf einer kleinteiligeren Skala mit Sekunden und Bruchteilen von Sekunden. Die feststehende Skala entspricht dem Zeitmaßstab im Verstand. Der Stundenzeiger bildet den Lauf der Sonne ab. Der Sekundenzeiger teilt die Stunden in kleinere Zeiteinheiten und zeigt das jeweilige Jetzt an. Man kann die Uhr mit dem herkömmlichen runden Zifferblatt als ein Abbild der Zeit sehen, die uns als Ordnungssystem im Verstand angeboren ist.

An der üblichen Uhr mit Zifferblatt und Zeiger lässt sich auch eine Grundüberlegung der vorliegenden Zeittheorie anschaulich machen. Wir glauben am Sekundenzeiger den Lauf der Zeit zu beobachten. Ein Irrtum! Die Zeit wird symbolisiert durch das Zifferblatt mit seiner feststehenden Zeitskala. Wir erinnern uns daran, was weiter oben ausgeführt wurde. Die Zeit ist ursprünglich der in Tage eingeteilte Kalender, und mit fortschreitender Entwicklung des Verstandes wird die Zeitskala immer kleinteiliger.Die Zeit ist ein feststehendes Ordnungssystem, das nicht fließt. Was sich bewegt ist der Sekundenzeiger. Er symbolisiert die materielle Welt, die sich ständig verändert. Bei jeder Stellung des Sekundenzeigers ist die Welt in einem bestimmten Zustand. Der Zeiger selbst ist Teil der materiellen Welt, deren Veränderung auch an der Bewegung des Zeigers sichtbar wird. Der Zeiger zeigt das jeweilige Jetzt der Welt an. – An Uhren mit anderem technischen Design (z.B. wenn sich das Zifferblatt dreht oder bei Uhren mit digitaler Anzeige) ist diese Symbolik nicht sichtbar).

Die Uhrzeit

Viel häufiger als zur Zeitmessung werden Uhren im Alltag für einen anderen Zweck verwendet. Schon in der Antike verwendete man Sonnenuhren, um eine gemeinsame Zeit zu verabreden. Die moderne Zivilisation funktioniert nur mit einheitlichen Terminen, zum Beispiel um Fahrpläne zu erstellen, den Arbeits- und Schulbeginn und andere Termine festzulegen. Zu diesem Zweck werden Zeitzonen mit einheitlicher Zeit festgelegt. Eine Referenzuhr bestimmt die Uhrzeit für die gesamte Zeitzone, und wer Termine einhalten oder die Eisenbahn nicht versäumen will, der richtet seine Uhr nach der Referenzuhr, das heißt nach der für die Zeitzone festgelegten Uhrzeit.  Die für alle verbindliche Uhrzeit hat also eine wichtige soziale Funktion. Sie bestimmt den Takt für den Arbeitsrhythmus der Gesellschaft und ihrer Mitglieder. Dieser soziale Aspekt ist nicht Gegenstand der hier angestellten naturphilosophischen  Betrachtung.

Von Natur aus ist die ganze Welt eine “Zeitzone”, weil es nur eine reale Gleichzeitigkeit und damit nur eine Zeit gibt. Die naturgegebene reale Gleichzeitigkeit ist Voraussetzung dafür, dass man eine sehr große Zeitzone einrichten kann, die unabhängig vom Stand der Sonne und vom Standort des Beobachters ist. Vor Jahren schon wurde eine so genannte Weltzeit eingeführt, die auch für die Raumfahrt verwendet wird. Sie ist im Grunde eine einheitliche Zeitzone für die Erde und umfasst auch die durch die Raumfahrt bisher erschließbaren Bereiche. Doch es besteht weder die Notwendigkeit noch die technische Möglichkeit, die schon unter Nr. 5 angesprochene einheitliche Zeit weltumfassend in die Praxis umzusetzen. Dazu müssten die Uhren im gesamten Universum (falls es dort irgendwo andere Zivilisationen mit technischen Uhren gibt) synchronisiert werden, was wegen der nach menschlichen Maßstäben unvorstellbar großen Entfernungen ausgeschlossen ist.

 

 

 

Quelle: Uni-Müster

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