“To live off the grid” ist in Kanada der Ausdruck für eine Lebensweise, die vollkommen unabhängig von System ist. Kein Stromnetz, keine Wasserleitung, keine Müllabfuhr, kein Auto, keine Steuern … in Kanada machen das einige Leute. Jeder auf seine Weise. Nicht immer sieht das einladend aus. Gottverlassen in der Wildnis ohne Kontakt zur “Außenwelt”, darauf angewiesen, daß man der Natur seine Nahrung abringt, mit Grizzlies und Wölfen kämpfen und sein Feuerholzkomplett selber hacken – für die meisten ist das nicht unbedingt der Traum.
Catherine King und Wayne Adams sind Kanadier und haben sich unabhängig gemacht, der Stadt den Rücken gekehrt und mit ihren zwei Kindern etwas ganz anderes angefangen.
Mitten in der kanadischen Natur leben sie nun auf einer selbstgebauten, autarken Inselkonstruktion, mitten zwischen Hirschen, Elchen, Wölfen, Ottern, Coyoten, Bären, Bibern, Fischadlern und anderen Seevögeln. Eigentlich macht ihnen nur eine Sorte Tiere richtig Ärger: Die riesengroßen Wasserraten. Sie bringen es durchaus auf über 10 Kilo Lebendgewicht und nagen an den Holzfundamenten der schwimmenden Welt herum. Bisweilen ist es recht anstrengend, die Schäden unter Wasser zu inspizieren und zu reparieren.
Das sieht nicht nur schön aus, es ist einfach herzerwärmend und paradiesisch. Sie leben auf einer selbstgebauten Struktur aus 12 miteinander vernetzten, schwimmenden Holzplattformen, die mit hölzernen Stegen untereinander verbunden sind. Daß die ganze Konstruktion nicht nur ein dubioses Experiment ist, beweist schon das Alter dieses schwimmenden Biotops. 1992 erbaut, ist es immer noch stabil, gepflegt, funktioniert tadellos und sieht wundeerschön aus. Das sind jetzt 23 Jahre,es handelt sich also nicht um eine g’schpinnerte Idee, die kurzfristig für Aufmerksamkeit sorgt und dann zerfällt. “Freedom Cove” nennen die beiden ihr Lebensprojekt, an dem sie imer noch zimmern und bauen und erfinden – es ändert sich ständig.
Es gibt Treibhäuser, Stromerzeugungsstationen, einen Hühnerstall und Wohnbereiche. Der Strom wird durch Solarpaneele gewonnenund über einen geeigneten Generator dem ganzen System zur Verfügung gestellt. Man lebt also recht komfortabel mit Elektrizität und auch Frischwasser ist nicht Mangelware und wird über einen kleinen Wasserturm verteilt. Im Winter wird Schnee und Regenwasser zur Bewässerung und zum Kochen und Trnken verwendet, im Sommer holen die beiden sich das Wasser von einem Wasserfall in der Nähe.
In den Gewächshäusern der schwimmenden Insel in Pink und Türkis wächst, blüht und grünt das ganze Jahr über alles, was man zu Essen braucht und was hübsch aussieht. Überall stehen Blumentöpfe aus denen weiß-der-Kuckuck-was herauswächst, mal Gemüse, Salat oder bunte Blumen. Es gibt sogar einen Leuchtturm und eine Kunstsammlung von Objekten, die die beiden selbst kreiert haben.
Den Hühnerstall haben die beiden Aussteiger allerdings aufgegeben. So wunderschön die kleine, paradiesische Insel auch ist, drumherum in der Wildnis leben zuviele Raubtiere, die die braven Eierleger als willkommene Abwechslung auf dem Speiseplan betrachten.
Neben dem Gärtnern, denInstandhaltungsarbeiten und dem Ausbauen der kleinen, schwimmenden Welt, widmet sich das Paar auch weiterhin seinen künstlerischen Abitionen, die man als Besucher dort auch sehen kann. Einiges an Kunstobjekten findet sich auch in Ausstellungsräumen und Kunsthandwerksläden der nächstliegenden kanadischen Kleinstadt Tofino, die eine halbe Stunde Bootsfahrt entfernt liegt – aber auch in anderen Orten in British Columbia. Das meiste sind Schnitzereinen aus fossilem Efenbeinvon Mammut-Stoßzähnen, aber auch Holz und anderes Material.
Catherine und Wayne leben aber nicht zurückgezogen. Sie lieben Besuch. Nicht nur von Freunden. Auch Neugierigen und Interessierten zeigen sie gerne, wie sie leben, wie das funktioniert und wie sie auf die Idee kamen.
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