Hirnstimulation: Besser denken unter Strom

Redaktion. Die Stimulation des Hirns mittels Gleichstrom erlebt eine Renaissance: Offenbar fördert sie erheblich das Lernen. Was erreicht man mit ein paar Drähten und einer Neun-Volt-Batterie?

Malibu (USA) – Es klingt wie reinste Science-Fiction: Ähnlich wie im Film „The Matrix“ haben Forscher durch Übertragung der Hirnaktivitätsmuster von Piloten, die Lernfähigkeit von Pilotenschülern um 33% gesteigert. Die Technik könnte schon mittelfristig von der Fahrzeugausbildung bis hin zum Erlernen von Sprachen zum Einsatz kommen.

Wie das Team um Dr. Matthew Phillips vom Information & System Sciences Laboratory der HRL Laboratories aktuell im Fachjournal „Frontiers in Human Neuroscience“ (DOI: 10.3389/fnhum.2016.00034) berichtet, handelt es sich konkret um sogenannte transkranielle Gleichstromstimulation (transcranial direct current stimulation, tDCS).

Douglas Fox

Eigentlich ist es ein Trainingsvideospiel für US-Soldaten. Doch die paar Freiwillige, die im vergangenen Jahr in einem Labor in Albuquerque zusammensaßen und DARWARS Ambush! spielten, taten dies ganz zivil im Dienst der Wissenschaft. In virtuellen Ruinenlandschaften galt es, verdeckte Gefahren aufspüren, sei es der Schatten eines Heckenschützen oder eine improvisierte Sprengfalle hinter einem Mülleimer – sekundenschnell, bevor Explosionen oder Schüsse knallten. Dass dabei ein feuchter Schwamm an ihrer rechten Schläfe ein leichtes Prickeln verursachte, vergaßen die meisten völlig. Nicht mehr als ein paar Milliampere wurde ihnen mit einem simplen Gerät und einer Neun-Volt-Batterie ins Gehirn geleitet.

So unorthodox das Experiment scheinen mag, für Versuchsleiter Vincent Clark, Neurowissenschaftler von der University of New Mexico in Albuquerque, hatte es einen ernsten Hintergrund: Mit der so genannten transkranialen Gleichstromstimulation (tDCS, transcranial direct current stimulation) glaubt der Forscher die Lernfähigkeit seiner Probanden entscheidend verbessern zu können. Und trotz seiner Einfachheit scheint das System zu funktionieren.

Diejenigen Freiwilligen, die über Elektroden an der Kopfhaut die zwei Milliampere erhielten – was in etwa einem Fünfhundertstel des Stromflusses in einer 100-Watt-Glühlampe entspricht –, hatten sich nach kurzem Trainingsspiel mehr als doppelt so stark verbessert wie Teilnehmer mit einem Zwanzigstel des Stromflusses. “Sie lernen schneller, können sich aber nicht richtig erklären, warum”, sagt Clark. Sein Projekt förderte die amerikanische Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) – in der Hoffnung, eines Tages die Sinne von Soldaten im Einsatz schärfen zu können.

 

Gleichstromstimulation


Denken unter Strom

Einen schwachen Strom an die Kopfhaut anzulegen, hat erstaunliche Auswirkungen auf das darunterliegende Hirn: Wissenschaftler beobachteten, dass die Behandlung nicht nur für Kreativität und bessere Lernfähigkeit sorgt, sondern womöglich auch gegen Depression und zur Rehabilitation eingesetzt werden könnte.
Die Technik selbst ist nicht neu, ihre Ursprünge liegen in über zwei Jahrhunderte alten Experimenten. Doch zurzeit erlebt sie eine regelrechte Renaissance. Clark und andere Wissenschaftler sehen in der tDCS die Chance, Lern- und Denkprozesse zu Untersuchungszwecken systematisch aufdröseln zu können. In absehbarer Zeit dürfte sie Wissenschaftler in die Lage versetzen, per Knopfdruck die Aktivität von Gehirnarealen zu verstärken oder zu dämpfen, während sie gleichzeitig das Verhalten der Probanden beobachten. Das Forschungsfeld “wird schon bald einen gewaltigen Boom erleben und uns alle möglichen neuen Erkenntnisse, aber auch weitere Fragen bringen”, meint Clark.

Wie schon frühere Stimulationsverfahren, die starke Magnetfelder oder implantierte Elektroden einsetzen, soll die tDCS nun zur Therapie neurologischer Störungen wie Depression und Schlaganfall einsetzbar werden. Aber gerade angesichts der Einfachheit des tDCS-Geräts bleibt die wichtigste Frage: Ist es ethisch vertretbar, am gesunden Gehirn herumzudoktern, um Lernfähigkeit und Wahrnehmungsvermögen zu verbessern? Die Wirkung der tDCS ist mittlerweile “groß genug, um auch im Alltag ihre Anwendungen zu finden”, sagt die Neuroethikerin Martha Farah von der University of Pennsylvania in Philadelphia.

An diesen Punkt zu gelangen, war nicht einfach. Die Gleichstromstimulation stand lange auf der Kippe und lieferte bizarre bis nichtreproduzierbare Studienergebnisse. Und keineswegs alles ist bis heute geklärt.

Der italienische Wissenschaftler Jean Aldini war um 1800 der Erste, der mit der Gleichstromstimulation experimentierte. Erst wollte er Bewegungen in den Leichnamen von kurz zuvor hingerichteten Verbrechern auslösen; später behauptete er in einer Veröffentlichung, zwei Patienten mit dem Gemütsleiden “Melancholie” geheilt zu haben. Bis in die 1940er Jahre wurden viele depressive Patienten im Rahmen der so genannten Elektrokonvulsionstherapie mit so starken elektrischen Impulsen traktiert, dass permanent die Gefahr epileptischer Anfälle bestand. Aber seit Jahrzehnten spielen auch immer wieder Forscher mit dem Gedanken, psychische Erkrankungen mit viel schwächeren elektrischen Strömen zu behandeln, die etwa 1000-fach geringer sind als bei der Elektrokonvulsionstherapie.

Schwacher Start

Im Jahr 1964 übertrug der Psychiater Joe Redfearn vom Graylingwell Hospital in Chichester viel versprechende Ergebnisse aus einem Rattenmodell direkt auf den Menschen, indem er 50 bis 250 Mikroampere an die Kopfhaut von freiwilligen Probanden applizierte. Abhängig von der Stromflussrichtung wurden diese gesprächig und sogar albern oder aber verschlossen. Joe Redfearn behandelte 29 depressive Patienten mit den “albern stimmenden” Bedingungen und fand bei der Hälfte der Patienten eine Verbesserung der Erkrankung. Diese Ergebnisse konnten allerdings nie reproduziert werden, so dass die Technik nicht weiter verfolgt wurde.


Im Nachhinein erkennt man mehrere Schwachstellen an seiner Arbeit. So nutze Redfearn etwa zehnfach niedrigere Stromstärken als die moderne tDCS, vielleicht weil er nicht messen konnte, wie viel Strom tatsächlich das Gehirn seiner Probanden erreichte. Erst ein paar Jahrzehnte später standen die notwendigen Methoden zur Verfügung, besonders als Wissenschaftler begannen, die Gehirnaktivität nach transkranieller Magnetstimulation (TMS) zu bestimmen. Bei der TMS wird eine von mehreren tausend Volt durchflossene Spule direkt am Kopf angesetzt. Durch die Magnetfelder werden elektrische Impulse im Gehirn ausgelöst, deren Größe mit Hilfe externer Elektroden genau gemessen werden kann.

Der Neurowissenschaftler Alberto Priori von der Università degli Studi di Milano zeigte in den 1990er Jahren, wie die Wirksamkeit der TMS durch die tDCS noch gesteigert werden kann. Er stimulierte sieben Sekunden lang den motorischen Kortex von Probanden mit einem Gleichstrom von 0,5 Milliampere und applizierte anschließend kurze TMS-Impulse.

Wenn Neurone durch die tDCS empfänglicher würden, müssten auch vermehrt Neurone bei einer nachfolgenden TMS reagieren, so seine Überlegung. Die Annahme stellte sich als richtig heraus. So hatten kurze Gleichstromimpulse tatsächlich eine länger anhaltende neuronale Erregbarkeit durch die TMS zur Folge. Als Priori diese Versuche 1993 vorstellte, bezweifelten seine Kollegen jedoch, dass tatsächlich elektrische Ströme durch den Schädel transferiert würden. Erst 1998 konnte er die Kritiker von der Richtigkeit seiner Daten überzeugen.

Michael Nitsche, ein klinischer Neurologe der Universität Göttingen, war fasziniert. Er hatte schon zuvor an der Behandlung von Epilepsie mittels Magnetstimulation geforscht. Allerdings war das nötige Gerät unhandlich und teuer, und die Effekte auf die Gehirnaktivität verflogen zu schnell, um Patienten wirklich helfen zu können. Nitsche, damals frischgebackener Absolvent, und sein Chef Walter Paulus beschlossen daraufhin, ein Jahr lang die tDCS zu erproben. Unverzüglich traten bestürzte Kollegen auf den Plan: “Hört sofort mit dem Scheiß auf! Das ist gefährlich”, erinnert er sich an ihre Kommentare. Nitsche erwirkte aber die Genehmigung des Ethikrats der Universität, und weil nicht genügend freiwillige Probanden zur Verfügung standen, führte er die Versuche kurzerhand bei seinem Vater, seiner Schwester und sich selbst durch.

Im Jahr 2000 veröffentlichten Nitsche und Paulus schließlich eine Studie, in der sie zeigen konnten, dass der Motorkortex nach einer fünfminütigen Behandlung mit etwa einem Milliampere noch Minuten nach Abschalten des Stroms sensibler auf Signale reagierte als gewöhnlich. Wie schon zuvor Priori, verifizierten sie die Effekte mittels TMS.

Nitsche und andere Wissenschaftler haben seitdem den Wirkmechanismus der tDCS genauer unter die Lupe genommen. Wie Analysen zur Physiologie des Gehirngewebes zeigen, schafft Gleichstrom ein elektrisches Feld, das das neuronale Membranpotenzial der Gehirnzellen verändert.

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Quelle: SPEKTRUM

 

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